Kontrastprogramm || Enduro-Flucht in den Harz

Mit der untergehenden Sonne im Rücken bahnt sich Alex Koops seinen Weg durch die trockenen Trails im Harzer Nationalpark.

In einer Welt, die für viele größtenteils vor dem Schreibtisch und virtuell abläuft, sucht jeder auf seine Art und Weise nach Abwechslung. Während einige in ihrer Freizeit noch tiefer in virtuelle Welten abtauchen, erliegen andere einem drastischeren Ausgleich. Die Natur bietet in all ihren Facetten Möglichkeiten eines Nirvanas. Nicht wenige sind dieser Liebe bereits verfallen und haben sich auf die Suche begeben. Immer wieder gab es geschichtliche Auslöser, die Welt zu entdecken und vielleicht war das Ausmaß der Digitalisierung der Auslöser für eine neue Ära von Outdoorenthusiasten. 

Geschichten über Entdecker, wie Edmund Hillary und Columbus gehören zwar der Vergangenheit an, sind auf der anderen Seite jedoch der Zunder für heutige Abenteurer. Der frühere Wunsch, die höchsten Gipfel zu besteigen, ist einem Ideal von Alltagsflucht gewichen. Für diejenigen unter uns, die den Schritt nach draußen gewagt haben, steht der Einklang mit sich und der Natur im Vordergrund – es gibt schließlich noch genug Abenteuer, die unentdeckt vor unser Haustür liegen.

Obwohl ich für meinen Teil schon immer viel Zeit in der Natur verbracht habe, sorgte ein eher ärgerliches Erlebnis dafür, dass sich für mich eine neue Welt öffnete. Vor mittlerweile 8 Jahren stand ich eher zufällig vor der Entscheidung, wie mein neues Fahrrad aussehen soll. Nachdem ich von meinem alten lediglich ein durchtrenntes Schloss vorfand, erinnerte ich mich daran, dass Freunde nicht unweit von meiner Haustür Trails bauten. Da mir der Lifestyle gefiel, fand ein Dirtbike seinen Weg in unseren Keller. Mehrmals die Woche ging es auf die Hügel der Umgebung. Die Touren weiteten sich ebenso aus wie unser Arrangement, die Trails zu pflegen und neue Landstriche zu entdecken. 

Mittlerweile bin ich auch einer dieser Studenten, der mehr Zeit hinter dem PC verbringt, als ihm lieb ist. Etwas so simples, wie ein Rad wurde zu einer Tür in eine neue Welt. Freundschaften, die sich daraus ergaben, begleiten mich noch heute und der Sport hilft mir dabei der Tristes des Alltags zu entfliehen.

So finde ich mich manchmal wieder, mit einem Rucksack voller Klamotten und meiner Kamera auf dem Weg in die Berge – weg aus dem Alltag. Erstaunlich, was ein Tapetenwechsel in Form eines Wohnmobils bewirken kann. Die Touren lassen einen die harten Bänke der Hörsäle und die enge der Bibliothek vergessen, während der Schweiß, der einem durch den Helm rinnt, einen wieder in die Realität zurückholt. Die malerische Landschaft des Harzer Nationalparks erstrahlt in den verschiedensten Farbtönen. Den Berg hinauf nimmt man noch Einzelheiten war – Farben lassen sich formen und ergeben Fauna und Flora. Auf der Fahrt hinab verwandeln sich diese allerdings in ein Lichterspiel – Kontraste und Farben verschwimmen, die klaren Formen weichen im Tunnelblick einem Gemisch aus Lichtreflexen. Nur das Adrenalin nimmt man noch wahr, während die Federelemente unter einem arbeiten und sich dem feuchten Waldboden anpassen. In solchen Momenten verschwende ich keinen Gedanken an bevorstehende Prüfungen. Wie auch, wenn einem bereits die Oberschenkel vom Weg hinauf so sehr brennen, dass der einzige Gedanke, den ich wahrnehme, der ist, wann der Gipfel greifbar ist.

Wenn einen die letzten Energiereserven zurück in das Wohnmobil treiben, sind es die einfachen Sachen, die einen wieder Leben einhauchen. Unter Sternenhimmel und am Lagerfeuer sitzend, werden Gerichte wie Stockbrot zelebriert. Der Geruch von Fleisch und Brot umströmen den Camper, während alle in sich gekehrt und in Decken gewickelt um das Feuer sitzen und in die Glut schauen – nur das Knacken des Feuers unterbricht in solchen Nächten die Stille. Zurück in meiner Studentenbude schiebe ich mein Mountainbike gedankenverloren den Flur entlang, vorbei an den Resten der letzten WG Party und in mein Zimmer. Für mich ist etwas Alltägliches wie ein Fahrrad ein Ventil geworden, mit dem ich in eine andere Welt abtauchen kann. In eine Welt, die Jeffrey Bowman in seinem Buch The Outsiders beispielsweise als neue Outdoor Bewegung beschreibt, veranschaulicht er, wie Menschen verschiedenster Kulturen loslassen und womit sie dem Alltag ein wenig entfliehen – womit entfliehst du?

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Ein verlassenes Kajak am Strand von Helgoland

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