Berge und Gondelabstinenz || eine Skitour in Salzburg?
Einer der Gründe, weshalb ich mich dazu entschieden habe, in Salzburg zu studieren, waren die umliegenden Berge, wovon es hier ein paar mehr gibt als in meiner Heimatstadt, Hamburg. Doch während ich im Sommer die Stollen meiner Wanderschuhe und meines Enduros im Waldboden abnutzen konnte, habe ich im Winter kaum einen der Gipfel gesehen.
25 Zentimeter hat es Übernacht geschneit und die schneebedeckten Gassen der Mozartstadt lassen das Licht der Straßenlaternen tanzen. Lediglich in der Ferne entdecke ich die dunkle Silhouette des Gaisbergs, mit seinem blinkenden Sendemast hoch oben, während ich durch den knirschenden Schnee nach Hause wate. Bis in die 70er Jahre konnte man über zwei Lifte die Spitze des Gaisbergs erreichen, wovon es dann eine naturbelassene Piste in Richtung Parsch gab. Kaum etwas erinnert mehr an die Zeit, in der einst Skispringer zum Zistelspringen reisten, um von zigtausenden Schaulustigen bejubelt zu werden. So viel, wie es diesen Winter zeitweise in Salzburg geschneit hat, war es unumgänglich, sich mit den Bedingungen zu arrangieren. Und so hatten Mathis und ich die Idee, die Wanderwege des Gaisbergs, die wir aus dem Sommer kannten im Winter hochzutouren, um zu schauen, ob wir die eine naturbelassene Piste finden würden.
Mitte Februar sollte es soweit sein. Der Schnee, der die Tage zuvor gefallen war, hatte sich gesetzt und so machten wir uns auf. Was in anderen Städten wie Innsbruck Normalität ist, scheint in Salzburg eher argwöhnisch beäugt zu werden, denn während wir mit unseren Skiern in den Bus steigen, treffen uns die Blicke zahlreicher Fahrgäste. Unser Aufstieg beginnt auf der nord-westlichen Seite neben der Gersbergalm und während wir quietschenden Schrittes erste Furchen im schneebedeckten Waldboden hinterlassen, stellen wir fest, dass scheinbar noch niemand auf dieselbe Idee gekommen ist – zumindest auf diesem Weg. Hin und wieder versperren uns von den Schneemengen in die Knie gezwungene Bäume den Weg und bringen uns dazu, von unserer ursprünglichen Route abzuweichen. Kurz bevor wir den Gaisbergrundweg erreichen, bahnt sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken und die schneebedeckten Äste, beginnen im Sonnenlicht zu funkeln. Um die letzten Meter aufzusteigen, folgen wir dem Gaisbergrundweg, bis wir die östliche Seite erreicht haben. Auf unserem Weg entdecken wir frische Spuren von Snowboardern und Skifahrern, die früher aus dem Bett gekommen sind. Über den im Wald liegenden Kamm erreichen wir kurze Zeit später den Sendemast, den ich einige Nächte zuvor noch aufleuchten gesehen habe. Viele Informationen über die naturbelassene Skipiste konnte ich nicht finden. Das Gasthaus am Mitteregg schien früher einmal der Mittelpunkt der Salzburger Skiwelt gewesen zu sein. Überreste der alten Skisprungschanze und des Lifts, welcher einst unmittelbar neben dem Gasthof standen, sucht man vergebens. Und die Skipiste, deren Ausläufer früher bis Oberwinkl heranreichten, ist vermutlich nur noch für sachkundige Einheimische mit bloßem Auge erkennbar.
Nachdem wir uns mit einem kühlen Bier in der Mittagssonne vom Ausblick über die Stadt Salzburg sattgesehen haben, brechen wir abermals auf. Mit eingerasteten Tourenbindungen beginnen wir die Fahrt ins Tal. Uns wird schnell bewusst, dass die Sonne schon ganze Arbeit geleistet hat. Während der Schnee auf der Nordseite im Wald noch pulvrig war, ist er hier pappig und schwer. Die Erkenntnis kommt einer inneren Notiz gleich, das nächste Mal vielleicht den Wecker etwas früher zu stellen. Einem Lichtschlag folgend, fahren wir bei strahlendem Sonnenschein und gefühlten 20 Grad der Zistelalm entgegen. Über durch die Schneedecke schauende Baumstümpfe und abgeknickte Sträucher fahren wir mit Blick auf den Untersberg hinab, den Großteil unserer Layer in unseren Rucksäcken verstaut. Kleine Wege hinter der Zistelalm führen uns tiefer in den Wald und wieder auf offene Wiesen. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass dies die beste Abfahrt meines Lebens war und ich bis zum Kinn im Tiefschnee gesteckt habe aber darauf kommt es gerade nicht an, denn mit einem Grinsen im Gesicht stolpern und rutschen wir auf der nicht vorhandenen Piste der Stadt entgegen. Hier geht es einfach nur darum rauszukommen, denn warum sollte man immer mit dem Auto ins nächstgelegene Skigebiet fahren, wenn Schnee und Berge gleichermaßen vor dem Fenster auf einem warten. Diese Gedanken sind es, welche uns begleiten, als wir unsere letzten Schwünge setzen, um anschließend mit geschultertem Equipment in die S-Bahn zu steigen. Erneut treffen uns verwunderte Blicke, als wollte man uns zu verstehen geben, dass wir hier gänzlich falsch seien. Für uns hingegen war es Vieles, nicht aber falsch.
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