Der Trail-Zoo von MTB Linz
Der Pfenningberg in Linz gilt als offenes Geheimnis unter den Trail-Connaisseuren, die sich mit der Abstinenz einer Gondel anfreunden können. Der Berg im Nordosten der Stahlstadt Linz misst ganze 616 m und erhebt sich mit seinen flach zur Donau abfallenden Hängen oberhalb der Gemeinde Steyregg. Die flowigen Singletrails waren ein Anziehungspunkt der lokalen Szene und auch darüber hinaus bekannt. Vermutlich ein Grund dafür, weshalb auch ich mich 2020 zum ersten Mal auf dem Gipfel wiederfand. Doch damals gab es MTB Linz – den Verein, um den es heute geht – noch gar nicht.
Ein paar Wochen später kam ich auf einem Clubabend von MTB Salzburg mit Daniel, einem der späteren Initiatoren, ins Gespräch. Es ging um zu lange Lieferzeiten für Fahrradteile und dass es kaum Trails gibt – das Knigge für rauschige Bike-Talks.
Die Trails mit ihren tierischen Namen, von denen Daniel an diesem Abend sprach, erinnerte ich noch: Die Ameise, Gipfel- und Mamba-Trail. Gefühlt hatte man hier wahllos im großen Tierlexikon geblättert und einfach irgendwo gestoppt. Dass hinter jedem dieser Namen eine Geschichte steckt, verblüffte mich schlussendlich dann doch. Der Ameisen-Trail hieß so, weil früher am Pfenningberg eine Ameisenkolonie angesiedelt werden sollte. Blöderweise befand sich der Ameisenhaufen direkt am Einstieg und der Rest des Trails lief quasi durch das Wohnzimmer der anderen Kolonien.
Daniels Beschreibungen versetzten mich wieder dorthin zurück: Die schmalen Pfade, die sich durch den offenen Wald schlängelten und immer wieder begegnete man großen Findlingen, die als Drops, Absprungkanten oder um sich das Kettenblatt zu zerschießen, genutzt werden konnten. Der lichte Wald erlaubte immer wieder Blicke auf die sich dahin schlängelnde Donau und die Stadt Linz. Für den nötigen Flow sorgten die vielen Krater, die im Licht der untergehenden Sonne für beste Stimmung sorgten. Pumptrack Feeling im Singletrail-Dress, die man am besten auf 160 mm hohen Absätzen genießt.
Die Hintergründe zum Hornissen-Trail
Wie ich später erfuhr, ist dieser Flow allerdings geschichtlich und nicht natürlich begründet. Über 20.000 Bomben regneten zwischen 1944 und 1945 auf die Stahlstadt Linz. Ziel waren die damaligen Hermann Göring Werke (heute Voestalpine). Die Bombenkrater, die heutzutage für Flow sorgen, sind Überbleibsel einer vergangenen Epoche, die nur noch entfernt an einen Kriegsschauplatz erinnern.
Letzten Endes waren es aber nicht die krabbelnden Nachbarn, die Besitzansprüche geltend machen wollten, sondern sich beschwerende Anrainer, die wohl mehr als einmal ihren Missmut darüber äußerten, zum wiederholten Male beinahe wen auf der Motorhaube zu kratzen.
„Wir können von Glück reden, dass noch nichts passiert ist, denn der Trail endet quasi im Vorgarten einiger Anrainer.“, erklärte mir Daniel.
Obwohl es im Sommer 2020, bereits einen legalen Trail vom Gipfel gab, führte der Bike-Boom, während Corona zu einem sprunghaften Anstieg der Abfahrten. Dutzende illegale Trails wurden in den Wald geschaufelt und die Lage drohte zu eskalieren. Daniel, Klaus, Sebastian und Claus wollten etwas ändern. Sie alle kommen aus der Gegend, kennen die Trails und jede Ameise beim Namen. Aus der Not heraus entstand 2021 der Verein MTB Linz.
Um Argumente zu liefern, wurde am Anfang der Ist-Zustand erhoben. Alleine am Pfenningberg konnten über die Wintermonate über 1.000 Fahrten pro Monat mit Hilfe eines versteckten Zählers gemessen werden. Zahlen, die sich nicht von der Hand weisen lassen.
Ziel des Vereins war und ist es, für den Linzer Großraum ein bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen. Ungewöhnlich fand ich zu Beginn die Aussage, dass sie keine Mitglieder suchen würden. Doch als Daniel meine verwunderten Augen sah, ergänzte er, dass es bereits einige Vereine in der Gegend gebe, die erfolgreiche Jugendarbeit leisten würden. Damit wolle man nicht konkurrieren. Es gehe darum, Interessen und Anliegen der Vereine aber auch der anderen Gesprächspartner wie der Politik oder der Jagd zu bündeln.
„Wir biken hier alle seit unserer Jugend und haben über die Jahre gute Kontakte knüpfen können. Jetzt liegt es an uns, die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei geht es nicht nur um Singletrails, sondern auch um klassische MTB-Routen“, fügte Daniel hinzu.
MTB-Linz übernahm und organisierte Gespräche mit den Grundbesitzern, der Forstwirtschaft, der Politik und allen, die sonst noch die Finger hoben. Und obwohl einige anfangs in der Bike-Community noch immer den querfeldein-fahrenden Harlekin sahen, zeigte sich die Mehrheit gesprächsbereit. Grundbesitzer Niklas Salm-Reifferscheidt entgegnete später, dass man nun mit MTB Linz einen Ansprechpartner gefunden hätte, der nicht nur die Interessen der Bike-Community vertrete, sondern auch die Einwände der anderen zu schätzen wisse.
Und so einigte man sich im Herbst 2021 auf einen Korridor in der Gemeinde Steyregg, der die Anrainer entlastet und die Wünsche von Jagd und Forst berücksichtigt.
Spätestens jetzt laufen die Fäden der Vergangenheit und der Gegenwart wieder zusammen. Klaus erklärte mir später bei einen der ersten Spatenstiche, dass ein Grund für den Korridor die Bombensplitter aus der Vergangenheit seien. „Sie bohrten sich damals in die Rinden der noch jungen Bäume, wo sie noch heute stecken. Ein Problem für die Forstwirtschaft, weil das Holz in den Sägewerken nur schwer weiterverarbeitet werden kann. Aus ökonomischen Gründen macht es das Gelände einfach uninteressanter.“, erklärte Klaus.
Wenn sich Geschichte und Trails die Hände reichen
Nur weil es einen Korridor gibt, heißt es aber noch lange nicht, dass dort auch ein Trail entsteht. Was anderswo 6-stellige Löcher in die Geldbörsen mancher Gemeinden sprengt, veranlasste MTB Linz dazu, ein 5-köpfiges Wegerhalter Team zu gründen. Ehrenamtlich und in Eigenregie planten Matthias, Max, Gilbert, Christoph und Peter den Verlauf und involvierten die Community beim Bau. Das fördere den Bezug zum Trail hieß es. Es dauerte acht Wochen, bis der Verlauf des Trails abgesteckt wurde und die ersten Anlieger die obligatorischen Brap-Werte erfüllten.
Am Nationalfeiertag war es dann soweit und die Community durfte sich in die geshapeten Anlieger des Hornissen-Trails schmeißen. Ein Tiername, what else.
Der vorsorgliche Hip Pack voller Allergietabletten ist aber überflüssig. Der Name stammt von der ortsansässigen Horniskanzel und vergöttert nicht die flauschigen, fingergroßen Wald Biene Majas.
Als Ausgangspunkt für zukünftige Abfahrten dient der Parkplatz am Pleschinger See neben dem Dirtpark Plesching. Der Trailstart liegt am Rundweg unterhalb des Gipfels ab, welchen man nach entspannten 30 Minuten erreicht.
Im Frühling 2022 folgte die offizielle Eröffnung unter Beteiligung der Gemeinde, Grundbesitzer Niklas Salm-Reifferscheidt, Vertreter der Naturfreunde und anderen Vertretern, die sich bei den 140 Bikerinnen und Bikern bedankten und lobende Worte für das Arrangement der Community fanden. „Gemeinsam ist es möglich. Es ist nicht die Katastrophe für Jagd und Forst, wenn es geregelte Routen gibt, auf denen gefahren werden kann.“, erklärte Niklas Salm-Reifferscheidt.
Die positive Resonanz sorgte sogar dafür, dass der eine legale Gipfeltrail um einen weiteren erweitert werden durfte. Im Zuge der neuen Beschilderung wurde aus dem alten Gipfel- der Wiesel-Trail und der Mamba-Trail wurde zum Salamander-Trail.
Doch anstatt sich genüsslich die Hände zu reiben und den Erfolg mit reichlich Linzer Bier zu begießen, werden bereits die nächsten Pläne geschmiedet. „Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, die Personen, die uns so viel Vertrauen entgegengebracht haben, mit jenen zu verknüpfen, die uns noch immer kritisch gestimmt sind“, erzählt Sebastian. „Wir wollen aufklären und hoffen deshalb auf Lösungen bei den anderen Hotspots wie der GIS und in Sankt Magdalena.”
Der frühere Ameisen-Trail, mit dem die Geschichte begann, musste hingegen weichen und wurde gemeinsam mit dem Forst rückgebaut. Doch kein Grund der Trauer, denn die bis zu 200 Fahrten, die an guten Tagen mittlerweile auf dem Hornissen-Trail gezählt werden, sind wohl ein Zeichen dafür, dass MTB Linz einiges richtig gemacht hat.
Abschließend noch ein paar dankende Worte für die Jungs und Mädels von MTB-Linz. Dank ihrer Hilfe gibt es nun legale Singletrails direkt vor den Türen der Stahlstadt. Wie du auf den Pfenningberg kommst, erfährst du hier. Darüber hinaus findest du hier die GPS-Tracks der Trails:
Vielen Dank auch an das LINES Magazin, die nicht nur diese Story abgedruckt haben, sondern sich auch darüber hinaus dafür einsetzen, dass die nationale MTB-Szene Anerkennung findet. Solltest du keine Ausgabe im Bikeshop oder am Bahnhof finden, kannst du hier auch ältere Exemplare nachbestellen.
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